Wortschatz: Spielen mit dem Thesaurus (I)

„Es war vordem ein unbemerkbares Püppchen, das immerzu ein weinrotes Kalotten auf dem Birne schleppte und infolgedessen nur das Rotkäppchen gesagt dastand.“ – So etwas kommt dabei heraus, wenn mein Spieltrieb sich beim Programmieren und Experimentieren mit dem Thesaurus von Microsoft Word austoben darf.

Falls Sie zumindest ein klein wenig geschmunzelt haben, dann möchten Sie vielleicht den vollständig verschandelten Rotkäppchen-Text genießen: Rotkäppchen und der böse Thesaurus. (Schreiben Sie mir, wenn das Progrämmchen Sie interessiert, mit dem ich diesen schönen Blödsinn fabriziert habe.)

Vielleicht finden auch Gemüter mit weniger kindlichem Humor als ich Gefallen an den folgenden Ausführungen zur Wortschatzarbeit.


Ein Schatz – aus Wörtern

Wortschatzarbeit – das heißt kreative Arbeit am präzisen und flexiblen Ausdruck. Ein großer Wortschatz erlaubt uns einerseits, den exakt passenden Begriff zu finden. Andererseits verfügen wir mit einem großen Wortschatz über reichhaltige Möglichkeiten zu variieren, also den Zuhörer oder Leser interessiert zu halten, zu fesseln. Wer viel liest, erweitert natürlich seinen Wortschatz automatisch – aber es ist doch zunächst nur der passive Wortschatz. Um auch den aktiven Wortschatz zu erweitern, bedarf es zusätzlicher Aufmerksamkeit und bewusster Anstrengung.

Wortschatzarbeit beginnt mit der Geburt – und endet idealerweise erst mit dem Tod! Erste systematische Bemühungen in der Grundschule im Zusammenhang mit dem Lese-Schreib-Unterricht werden in den weiteren Grundschuljahren fortgesetzt. Später kommt die Arbeit am eigenen Worschatz im Rahmen des Deutschunterrichts aber leider nur noch selten als explizites Ãœbungsthema vor. Das finde ich äußerst bedauerlich.

Denn ganz häufig beginnt psychologische oder ideologische Manipulation (vulgo: Meinungsmache) damit, den Menschen „das Wort im Mund umzudrehen“. Eine andere Methode, ebenfalls besonders beliebt bei vielen Politikern, ist das allmähliche Entfernen jedes Inhalts aus den eigenen Äußerungen, so dass am Ende nur noch die leeren Worthülsen übrig bleiben. („Worthülsen“ – selbst ein schöner, treffender Begriff – ruft bei mir übrigens passenderweise immer die Assoziation von leeren Patronenhülsen hervor. Wörter als Waffen – verschossen, verbraucht.)

Arbeit am Begriff

Es ist also, rundheraus, ein grundlegendes Erfordernis der Demokratie, das kritische Bewusstsein für den richtigen Gebrauch der Wörter ständig zu fordern und zu fördern. Wir müssen unseren Kindern klar machen: Wer sich nicht begriffsscharf äußert, der kann entweder nicht scharf denken, oder er will verhindern, dass seine Zuhörer scharf denken. („Begriffsscharf“, das bedeutet natürlich weder „mit scharfen Worten“ noch „scharfzüngig“.) Mein Lieblings-Philosophieprofessor (Uni Köln, vor fast 40 Jahren, wie die Zeit vergeht…) verwies uns immer wieder darauf, dass die „Arbeit am Begriff“ die vornehmste Aufgabe des Philosophen ist. Und letztlich geht es genau darum: In der Wissenschaft, in der Literatur, in der Journalistik, in der Politik. Und nicht zuletzt im Alltag der ganz gewöhnlichen Menschen – allzuoft beruht ein heftiger Streit nur auf unterschiedlichem Wortverständnis oder unpassender Ausdrucksweise.

Wenn auch der Hintergrund ernst und wichtig ist, so braucht das Üben selbst doch nicht humorlos und schwer zu sein. Viele Kinder und Jugendliche lieben Wortspielereien und erfinden oft einen eigenen Wortschatz (beispielsweise die sogenannte Jugendsprache). Aktuell z.B. war kürzlich bei meinem Jüngsten „Türksprech“ a la Erkan und Stefan total angesagt. Da gibt es eine Menge Anknüpfungspunkte. Spielerische Übungsformen zum Wortschatz sind immer sinnvoll; und unser Zarb bietet vielfältige Unterstützung dazu.

Noch viel zu wenig Beachtung findet jedoch der Thesaurus, den heutzutage jedes anständige Textverarbeitungsprogramm mitbringt. Bei http://www.openthesaurus.de/ gibt es auch einen online benutzbaren, frei verfügbaren Thesaurus – nicht ganz so handlich, aber mit interessanten Perspektiven. Was ist ein Thesaurus? Ein Thesaurus, in der hier interessierenden Bedeutung, ist einfach ein Lexikon mit art- und bedeutungsverwandten Wörtern – Synonyme, Antonyme usw.

Lassen Sie die Kinder so früh wie möglich den Umgang mit dem Thesaurus lernen!

Sie wissen selbst noch nicht so genau, wo Sie den in Word finden? Kein Problem: Ein Rechtsklick auf irgendein Wort (am besten erst einmal ein Nomen) öffnet das sogenannte Kontextmenü, und dort finden Sie ziemlich weit unten den Eintrag „Synonyme“. Führen Sie den Mauszeiger dorthin oder klicken Sie darauf, öffnet sich daneben eine Liste mit den gefundenen Synonymen. Wenn Sie eins der Synonyme anklicken, wird dieses dort eingefügt, wo die Schreibmarke steht, wobei das zuvor dort stehende Wort ersetzt wird. Äußerst praktisch! Hier im Kontextmenü, unterhalb der Synonymliste (oder unter Extras-Sprache), finden Sie noch den Eintrag „Thesaurus“, der Sie zu weiteren Möglichkeiten führt.

So, damit Sie ein bisschen Zeit zum Ausprobieren und Forschen haben, mache ich hier für heute erst einmal Schluss und vertage die konkreten Übungsvorschläge auf den nächsten Beitrag. ;-)

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